Aktuelle Rennräder   -   meine Meinung

 

2023 - Persönliche Anmerkungen zu modernen Rennrädern:

 

Aktuelle Rennmaschinen sind mittlerweile vom Hersteller so speziell aufgebaut, dass sie wie eine Einheit - wie aus einem Guss wirken.

Gewicht, Aerodynamik, Stabilität und Funktionalität stehen im Vordergrund.

Sie werden in der Regel mit Carbon-Rahmen mit herstellereigenen "Standard" Einpress-Innenlagern und besonderen Gabel- und Sattelstützenformen ausgeliefert.

Dank den vielseitigen Möglichkeiten von Carbon sind nahezu alle Formen möglich.

Der Trend geht hin zu vollintegrierten Komponenten, zu innenverlegten Zügen, Kabeln und Bremsleitungen (seit einigen Jahren werden auch nur noch Scheibenbremsen bei Rädern von der Stange verbaut).

Alles ist optisch perfekt und aufgeräumt verbaut. Nichts - kein Kabel, kein Zug stört mehr das Auge beim Anblick des Boliden.

Die Aerodynamik ist um Klassen besser als noch bei Rädern von vor 5-10 Jahren.

 

Aktuelle Rennmaschinen sind mittlerweile vom Hersteller so speziell aufgebaut, dass ein einfacher Teiletausch fast unmöglich geworden ist.

Sollte mal etwas verschlissen oder gar kaputt gegangen sein (z.B. Steuersatz, Innenlager, Gabel, Lenkervorbau-Kombi etc.), kann dieses Teil meist bestenfalls nur gegen ein Original-Ersatzteil des Radherstellers ausgetauscht werden.

Dies oftmals aber auch nur für ein paar Jahre, denn nach einer gewissen (recht kurzen) Zeit gibt es keine Ersatzteile mehr und man muß bei einem Defekt vielleicht gleich einen neuen Rahmen oder gar ein neues Rad kaufen.

 

Schon die Montage eines anderen Lenkers (schmaler, breiter oder einfach eine andere Form) gestaltet sich recht schwierig und ist für einen nicht mit einer vollausgestatteten Werkstatt gesegneten Laien nahezu unmöglich.

Da es oftmals auch intergrierte Vorbau-Lenkerkombinationen sind, ist ein ehemals einfaches variieren mit der Vorbaulänge, heutzutage so nicht mehr möglich.

Das Rad von der Stange sollte also von vornherein schon passen.

Sämtliche Montagearbeiten werden enorm zeitaufwändig (und somit teurer) und benötigen immer neues Spezialwerkzeug.

Der Austausch und die Verlegung von Zügen oder Bremsschläuchen im Rahmen, kommt einer Sisyphusarbeit gleich.

Nebenbei ist es auch auffällig, dass die im Vorbau und Steuerrohr verlegten Bremsschläuche und Züge (bei klassischen Schaltungen - nicht elektrisch) oftmals nach kurzer Zeit schon Geräusche beim Lenken oder sogar ein ruckeliges Lenken verursachen.

Wie sich diese Bewegungen unter engsten Radien im Dauerbetrieb auf die flüssigkeitsgefüllten Leitungen und die am liebsten knickfrei und in großem Bogen verlegten Züge auswirken, muss die Zeit zeigen.

 

Sollte ein Systemlaufrad doch mal (was tatsächlich nur selten vorkommt) einen Schlag, eine gerissene Speiche oder gar eine defekte Felge haben, ist solch eine Reparatur meist nicht ganz einfach und wird einige Zeit in Anspruch nehmen, da passende  Felgen, Ersatzspeichen oder der spezielle Nippelspanner vermutlich nicht in der Werkstatt des Vertrauens vorrätig sind.

Wenn der Laufradsatz nicht mehr ganz aktuell ist, kann es nochmals schwerer mit der Ersatzteilbeschaffung werden.

 

Eingepresste Innenlager neigen schnell zum knacken,was bei zunehmender Nutzung immer stärker werden kann.

Irgendwann ist der Austausch des Lagers unumgänglich.

Dieser Austausch , der dann in immer kürzeren Abständen erfolgt, weitet die Presspassung im Rahmen (aus Carbon) immer weiter aus, was zur Folge hat, dass die Lager von mal zu mal weniger fest im Rahmen sitzen.

 

Spezielle Gabelformen, die an die Rahmenform angepasst sind, bedeuten, dass auch nur eine baugleiche Gabel (bestenfalls auch im gleichen Farbkleid wie die defekte - passend zur Rahmenfarbe und dem Design) bei einem nötigen Austausch verwendet werden kann.

Das gleiche gilt auch für die Sattelstütze.

Ob dies auch nach 2-3 Jahren noch möglich ist, wage ich zu bezweifeln.

Kunden- oder anwenderfreundlich ist etwas anderes.

 

Im Profibereich, wo die Fahrer ihren Materialsponsor, der die teuren Räder stellt und vor allem auch einen Mechaniker haben, der alle eventuellen Mängel sofort abstellt, mag das alles wunderbar und auch gerechtfertigt sein.

Schließlich ist die Rennmaschine das Arbeitsgerät der Profis, die damit ihr Geld verdienen und für ihre Teams möglichst viele Erfolge einfahren. Hier kommt es auch nicht so sehr auf´s Geld an.

Alle anderen Radsportler haben diese Annehmlichkeiten aber nicht.

 

Meiner Meinung nach sind nicht alle Neuerungen im Rennradbau so ein Segen, wie sie von den Herstellern verkauft werden.

Aber vielleicht ist es ja auch der Wunsch der Kunden (der Radsportler) alle 3, 4 oder 5 Jahre ein neues Rad zu kaufen.

Schade ist halt, dass man dann das "alte" Rad nur noch entsorgen kann .

Möglicherweise stehen neben Gewicht, Aerodynamik, Stabilität und Funktionalität doch noch eher der Verkauf von neuen Räder und somit der Gewinn der Hersteller im Vordergrund ?????

Nachhaltigkeit sieht auf jeden Fall anders aus !!

 

Leider hat der normale Verbraucher oftmals aber gar keine andere Wahl, als diese Produkte zu kaufen.

 

Dies muss aber auch alles nicht so stimmen.

Es ist nur meine Meinung und meine (für den ein oder anderen vielleicht etwas negative ??) Sicht auf die Dinge.

Allerdings haben mich auch über 30 Jahre Werkstatterfahrung in dieser Meinung bestärkt.

 

 

 

Ein weiterer neuer Trend ist es, den Lenker aus aerodynamischen Gründen sehr schmal zu wählen.

Für einen Profi vielleicht ganz sinnvoll, kann er doch bei Tempo 40 - 50km/h so sicherlich etliche Watt an Leistung sparen, die er bei einer Renndistanz von 150 - 250km anderswo gut gebrauchen kann.

Für den nicht wettkampforientierten Rennradler ist dies aber nicht von so großer Relevanz.

Hier ist der Wohlfühlcharakter auf dem Rad entscheidender.

 

Optisch noch schlimmer, aber auch ergonomisch ungünstiger, finde ich die neuen Lenker mit einem großen "Flare".

Als (großer) Flare wird bezeichnet, wenn der Unterlenker (viel) breiter als der Oberlenker ist.

Das führt dann dazu, dass die Bremsschalthebel oftmals extrem schräg stehen und der Griff auf dem Bremsgriff sowie die Bedienung von Schaltung und Bremsen in dieser Position ziemlich ungemütlich wird. (s. Bilder unten)

Diese Lenkerform ist entweder auch der Aerodynamik geschuldet oder wird bei Gravelbikes im besseren Handling begründet.

Wie gesagt - die extreme Windschnittigkeit kann bei den meisten Fahrern vernachlässigt werden und für mehr "Steuergewalt" im Gelände mit "Schotter-Rädern" oder auch dem klassischen Querfeldeinrad, hat sich über viele Jahre ein ganz einfach etwas breiterer Lenker bewährt.

Aber Orthopäden und Handchirurgen wollen ja auch leben ;-)